Artikel aus der Morgenpost vom 22.03.2015
von Franz Michael Rohm

Und die Mode? Petra Benz Hüte wollte schon mit 17 Jahren Hüte machen. Modistin war ihr Traumberuf. Doch der Vater im Schwäbischen sagte „Nein!“. „Etwas Ordentliches“ sollte sie lernen. Nicht so eine Spinnerei, die dem jungen Mädchen bei Besuchen in der Oper in den Sinn gekommen war. Also lernte sie Hotelfachfrau, arbeitete in Hotels und Restaurants in Schwaben, kam 1995 nach Berlin und fand eine Stelle Grand Hotel Esplanade. „Eigentlich war die Karriere programmiert“, sagt sie. Aber das Leben spielte ein anderes Spiel. Die Liebe, zwei Kinder, die Trennung vom Partner, Rückzug nach Schwaben. Dann die Katastrophe: ein furchtbarer Autounfall, bei dem ein Kind starb. Sie brauchte Jahre, bis sie wieder auf den Beinen war. Zog zurück nach Berlin.

Während Petra Benz von ihrem Schicksal erzählt, sitzt sie umgeben von Hüten im kleinen Atelier ihrer Wohnung. Sie hat wieder Fuß gefasst, eine Stelle als Tagungsleiterin gefunden – und macht Hüte. Ihre Augen strahlen.

„Mein Traum ist endlich wahrgeworden“, sagt die 48-Jährige mit sympathischem schwäbischem Akzent. „Das war mein erster“, sagt sie und zeigt auf einen irisch-grünen Damenhut mit schwarzem Hutband im 20-er Jahre-Stil. In dieser Epoche hätte Petra Benz gerne gelebt. „Alle trugen Hüte, Frauen wie Männer, wunderbar.“ Ihr erstes Exemplar hat sie in einem Workshop gefertigt, „aus zwei Teilen, das ist eigentlich die Kür.“ Damals gab es keine Ausbildungsmöglichkeiten in Berlin. Aber sie hatte Glück und traf auf dem Flohmarkt am Fehrbelliner Platz eine Hutmacherin, die ihr half. Von ihr bekam sie alte hölzerne Formen, Grundstock der Hutmacherei.

Nur die Rohlinge aus Filz kauft Petra Benz ein, alles andere wird per Hand gemacht. Eine Arbeit, die neben Kraft auch große Geschicklichkeit und Fantasie erfordert. Man unterscheidet einfach gezogene Modelle und Modelle aus zwei Teilen. Bei den Modellen mit Krempe wird eine runde Kopfform hergestellt, und anschließend der Rand angenäht.

Ihre Inspirationen holt sich die Hutmacherin beim Betrachten alter Filme oder beim Bummel über Flohmärkte. Der Arbeitsprozess ist bisweilen langwierig. Manchmal wisse sie lange nicht, wie ein angefangener Hut weitergehen soll. Da helfe nur Ausdauer und ungewöhnliche Arbeitszeiten. „Wenn der Geistesblitz kommt, fange ich mitten in der Nacht an zu arbeiten“, erzählt sie und lacht über sich selbst.

Ein eigenes Geschäft hat Petra Benz nicht. “ Da sind Kosten und Risiko noch zu hoch.“ Sie nutzt das Internet. Die Ergebnisse können sich tragen lassen. Hauptsächlich Frauenhüte modelliert sie. „Frauen tragen heute wieder Hut“, freut sich die Modistin. Demnächst will sie handgefertigte Brauthüte anbieten. Zu Weihnachten ist sie über ihren Schatten gesprungen. Sie hat ihrem Vater einen Hut geschenkt. „Er trägt ihn sogar.“